Weltempfänger

Die Litprom-Bestenliste Weltempfänger

Der Weltempfänger Nr. 47 | Sommer 2020

Auf der Weltempfänger-Bestenliste im Sommer 2020 trifft rohe Gewalt auf hohe Erzählkunst: uns begegnen Frauen, die Missbrauch und Sklaverei überlebt haben, vom Krieg zerrüttete Familien, Rachegeister und Serienmörder. Düstere Geschichten in erhellender Sprache. Und mittendrin eine Meditation über die Möglichkeiten, ein Gedicht zu übersetzen.

In »Schläge« von Meena Kandasamy gerät eine junge Autorin an einen prügelnden Ehemann und wehrt sich mit den Mitteln der Literatur.
Mit den »Aufzeichnungen eines Serienmörders« von Young-ha Kim versucht der demente Protagonist, eine letzte Tat zu planen.
»Das Gewicht der Zeit« von Jeremy Tiang erzählt die verdrängte Geschichte Malaysias und Singapurs als Familienroman in drei Generationen.
»Der siebte Sinn ist der Schlaf« von Wilma Stockenström erschien 1981 im Original, nun ist die Geschichte einer ehemaligen Sklavin auf Deutsch verfügbar.
»Neunzehn Arten Wang Wei zu betrachten« findet Eliot Weinberger durch verschiedene Übersetzungen eines Gedichts.
»Cameron« von Hernán Ronsino führt in die argentinische Pampa nach der Junta.
Cai Jun, der »chinesische Stephen King«, lässt in seinem Thriller »Rachegeist« einen Ermordeten von den Toten zurückkehren.

Der »Weltempfänger« Nr. 47 / Sommer 2020 steht als PDF zum Download zur Verfügung. 


1. »Schläge. Ein Porträt der Autorin als junge Ehefrau« Meena Kandasamy INDIEN/GB* **

Roman. Aus dem Englischen von Karen Gerwig. CulturBooks. 264 Seiten. 22,00 €

Eine junge angehende Autorin heiratet. Ihr Ehemann ist Marxist und ein berühmter Intellektueller. Was folgt, ist verbale, physische und sexuelle Gewalt. Kandasamy liefert ein vielschichtiges Drehbuch von ehelichem Missbrauch — und schenkt ihrer Heldin die Kraft, sich frei zu schreiben: mit den Waffen der Literatur. Claudia Kramatschek

»Meena Kandasamy „Schläge“: Auch das ist ihre Rache«. Meena Kandasamys autobiographischer, ganz erstaunlicher Roman — eine Rezension von Sylvia Staude auf fr.de

»MISS MILITANCY — Ihr Furor ist radikal: gegen häusliche Gewalt, Repression, Ausbeutung und das Kastenwesen. Meena Kandasamy, eine Dichterin von poetischer Wucht, eine kämpferische Feministin und Kritikerin der politischen Zustände in Indien.« Cornelia Zetzsche auf BR.de

 


2. »Aufzeichnungen eines Serienmörders« Young-Ha Kim SÜDKOREA

Roman. Aus dem Koreanischen von Inwon Park. Cass Verlag. 152 Seiten. 20,00 €

Nach Jahren im Ruhestand muss ein mehr oder minder dementer Serienkiller nochmals aktiv werden, um seine Tochter zu retten; der Roman besteht aus den Notizen, die er sich macht, um den Überblick zu behalten. Oder ist alles ganz anders? Ein funkelndes Kleinod mit explosiver Wirkung — brillant! Ulrich Noller

»In jungen Jahren war er ein Serienmörder. Jetzt aber hat Byongsu Kim Alzheimer, und sein Kurzzeitgedächtnis lässt ihn langsam im Stich. Um seine Gedanken zu ordnen, macht er sich Aufzeichnungen. Aber kann man dem alten Mann und seinen Notizen wirklich glauben? Ein außergewöhnlicher Thriller aus Korea.« Eine Rezension von Katharina Borchardt auf swr.de


3. »Das Gewicht der Zeit« Jeremy Tiang SINGAPUR/USA

Roman. Aus dem Englischen von Susann Urban. Residenzverlag. 304 Seiten. 24,00 €

Ein unerklärter Krieg hat die Familie in alle Winde versprengt. Jeremy Tiang fügt Schicksale aus drei Generationen wie Mosaiksteine zusammen. Pointiert und fesselnd erzählt der Singapurer von Kämpfen um die Unabhängigkeit in den 50er und 60er Jahren. Manches Massaker hallt noch im Oxford der Gegenwart nach. Jörg Plath

Eine Besprechung zum Hören von Katharina Borchardt auf deutschlandfunk.de


4. »Der siebte Sinn ist der Schlaf« Wilma Stockenström SÜDAFRIKA*

Roman. Aus der englischen Fassung von J. M. Coetzee übertragen von Renate Stendhal. Verlag Klaus Wagenbach. 160 Seiten. 18,00 €

Eine ehemalige Sklavin hat sich am Ende ihres Lebens ins Innere eines Baobab zurückgezogen und blickt auf ihr Leben im Besitz verschiedener Herren zurück. Mit angehaltenem Atem verfolgen wir den Weg der Ich-Erzählerin durch ganz Afrika in Zeiten von Sklavenhalterei und -jägerei. Meisterhaft erzählt. Anita Djafari

»Heute würde man es wohl "social distancing" nennen: Eine Frau zieht sich zurück in einen hohlen Baobab-Baum. Aus dem Baum heraus erzählt sie ihre Geschichte, die Geschichte einer ehemaligen Sklavin.
„Der siebte Sinn ist der Schlaf“ ist ein moderner Klassiker von der Afrikanerin Wilma Stockenström: schwebend, poetisch und empfindsam erzählt.« Eine Rezension von Katharina Borchardt auf swr2.de


5. »Neunzehn Arten Wang Wei zu betrachten« Eliot Weinberger USA

Aus dem Englischen von Beatrice Faßbender, mit einem Nachwort von Octavio Paz. Berenberg Verlag. 112 Seiten. 18,00 €

Ein 1200 Jahre alter Vierzeiler von Tang-Dichter Wang Wei. Er erzählt von Berg, Wald und Abendsonne und von Menschenstimmen, die aus der Ferne vernehmbar sind. Auch die (mehr als) neunzehn Übersetzungen klingen wie ein Echo am Berg. Herrlicher mehrstimmiger Widerhall. Denn: Wang Wei hat gerufen! Katharina Borchardt


6. »Cameron« Hernán Ronsino ARGENTINIEN

Novelle. Aus dem argentinischen Spanisch von Luis Ruby. Bilgerverlag. 91 Seiten. 19,00 €

Die Zeit nach der Junta in der argentinischen Pampa. Ein Mann mit Holzbein steht unter Arrest, fühlt sich verfolgt. Er erheischt Mitleid, bis sich die Wahrheit herausstellt. Wo Gerechtigkeit versagt, droht Rache. Erschütternd und erhellend. Abstoßend und mitreißend. Ruthard Stäblein


7. »Rachegeist« Cai Jun CHINA**

Roman. Aus dem Chinesischen von Eva Schestag. Piper. 512 Seiten. 16,00 €

Was für ein wahnwitziges Buch aus der VR China. Ein Thriller, der vor Plot-Freude fast explodiert. Ein deliranter Step-Tanz auf der Linie zwischen Kriminal- und Phantastischer Literatur. Das »neue China« — korrupt, brutal, gierig und gewalttätig.

Faszinierend und explosiv. Thomas Wörtche


*nominiert für den LiBeraturpreis 2021
**Die Übersetzung der Titel wurde unterstützt durch Litprom mit Mitteln des Auswärtigen Amts

Die Jury: Ilija Trojanow (Vorsitz), Katharina Borchardt, Anita Djafari, Andreas Fanizadeh, Claudia Kramatschek, Ulrich Noller, Jörg Plath, Ruthard Stäblein und Thomas Wörtche

Kontakt 
Anita Djafari 
Tel.: 069/2102-113
E-Mail: djafari@buchmesse.de