Angela Dorn, Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, hat Anita Djafari am 21. Juni für ihre herausragenden Leistungen in der Literatur das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland überreicht.
»Wir brauchen alle klugen und kreativen Köpfe, um unsere Gesellschaft zu bereichern. In der Literatur bedeutet das auch, dass wir ihnen helfen, Entfernungen und sprachliche Hürden zu überwinden. Dieser Mission hat sich Anita Djafari verschrieben und vor allem mit dem Verein Litprom umgesetzt«, so Wissenschafts- und Kunstministerin Angela Dorn.
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Die Internationale Jugendbibliothek führt seit 2017 ein von der Landeshauptstadt München gefördertes Projekt durch, dessen Ziel es ist, einen Einblick in die Kinderliteratur arabischsprachiger Länder zu geben und Bücher zu empfehlen.
Im Rahmen des Projekts werden aktuelle Titel aus Verlagsprogrammen der arabischen Welt gesichtet und auf vielfältige Weise vermittelt, um sie im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen, in Bibliotheken zu bringen sowie Übersetzungen anzuregen.
Im August 2021 wird die dritte und abschließende Empfehlungsbroschüre der Internationalen Jugendbibliothek zu diesem Projekt, »Arabischsprachige Kinderbücher 2021«, erscheinen. Unter anderem als Orientierungshilfe für Bibliothekar*innen, Pädagog*innen, Literaturvermittler*innnen und Lektor*innen. Denn Kinderbücher sind wichtige Mittler der Integration. Sie sind inklusiv und fördern den interkulturellen Austausch.
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Ausführliche Informationen in der Pressemitteilung der Internationalen Jugendbibliothek.
Volkhard Brandes wurde am 26. Juni 1939 in Lemgo geboren. Grau, verschlafen, verschlossen, beschrieb er die lippische Stadt mittig zwischen Minden im Norden, Bielefeld im Westen und Paderborn im Süden. Der Vater war Studienrat am Engelbert-Kämpfer-Gymnasium, das auch Volkhard Brandes besuchte, und keineswegs ein Freund des Antifaschisten und Militarismus-Kritiker Ernst Werner, der 1950 die Schulleitung übernommen hatte. Angetrieben war Werner davon, seinen Schülern beizubringen, kritische Fragen zu stellen. Werner holte sich daher Heinz Schultz an die Schule, der damals noch in Rostock lebte, »um aus den Söhnen der Altnazis Menschen zu machen«. Er wurde der Klassenlehrer von Volkhard Brandes. Es kam zum Schulkonflikt. 1957 verließ der als Kommunist und Jugendverderber von Eltern und Lehrern abgestempelte Schuldirektor bei Nacht und Neben die Stadt Lemgo. Die Klasse, die Brandes besuchte, hatte sich hinter ihn und den Lehrer Schultz gestellt. Vergebens. Sie wurde als »verseuchte Klasse« zum Abitur geführt. Volkhard Brandes hat mit Gefährten aus dieser Zeit im Buch Ich verbiete euch zu gehorchen seinen ehemaligen Lehrern ein Denkmal gesetzt.
Es war ein unversöhnlicher Konflikt mit der Vätergeneration entstanden, wie Brandes später sagte. Er wollte raus aus erstickender Normalität, in die freie und kreative Großstadt, anders leben. München und die Aufbruchstimmung dort faszinierten ihn, doch die Stadt an der Isar, wurde ihm bald auch langweilig. Es zieht ihn nach Frankfurt am Main mit seiner intellektuellen Szene, wo er bis kurz vor seinem Tod lebte.
Volkhard Brandes hatte Anglistik, Amerikanistik und Romanistik in München und Paris studiert, sprach hervorragend Englisch und Französisch, promovierte in Amerikanistik mit einer Arbeit über die Bedeutung der afrikanischen Unabhängigkeit für den Freiheitskampf des schwarzen Amerika, war in den siebziger Jahren durch die USA und Mittelamerika getrampt, hatte an Protesten gegen den Vietnam-Krieg teilgenommen und war abgeschoben worden. Beredte Zeugnisse aus dieser Zeit sind Now. Der schwarze Aufstand, USA - Vom Rassenkampf zum Klassenkampf“ oder Good bye Onkel Sam. Amerika zwischen Cola und Revolte und Black Brother. Unter dem Titel The times they’re changing waren seine schwarzweiß Fotografien aus den USA 1965-1967 zuletzt in einer Ausstellung im Ypsilon-Café 2005 in Frankfurt zu sehen. Seine Autobiografie Wie der Stein ins Rollen kam erschien 1988 im Brandes & Apsel Verlag, den er 1986 mit Roland Apsel gegründet hat. In diesen längst vergriffenen Büchern setzt sich Brandes mit dem afroamerikanischen Befreiungskampf der sechziger Jahre in den USA auseinander und beschreibt in seinen autobiografischen Notizen den Aufbruch in die Revolte in Europa. Als Politischer Sekretär des SDS und seit 1973 in verschiedenen linken Verlagsprojekten aktiv, war er mittendrin in den gesellschaftlichen Umwälzungsprozessen. Sich selbst bezeichnete er stets als einen »unerschütterlichen Altmarxisten«; ideologische Gleichmacherei, traditionelle Parteipolitik und Funktionärswesen blieben ihm fremd. Er pendelte, wie Ute Evers in einem Interview in der taz (23.7.2018) herausarbeitet, zwischen den politischen Welten und antwortet dort, von ihr befragt nach seinen damaligen politischen Zielen: »Wir wollten nicht nur einfach auf die Straße gehen. Für mich persönlich hatte die Weltrevolution damals Priorität. Mir ging es darum, die Solidarität zwischen den Linken in Deutschland, Frankreich und den USA zu unterstützen.«
Für Volkhard Brandes war ein Verdienst der Bewegung von '68, einen Emanzipationsprozess eingeleitet zu haben, der den Alltag und das Subjekt revolutioniert hat: die Auflockerung der Institution Ehe, die Idee der Wohngemeinschaft, eine freiere Kindererziehung, offene Umgangsformen untereinander, die Selbstorganisation einer alternativen Kultur …
Ich habe Volkhard Brandes und Roland Apsel auf der Frankfurter Buchmesse 1995 kennengelernt, weil ich bei Brandes & Apsel ein Buchprojekt unterbringen wollte. Das vielseitige Programm, abseits von Mainstream und Marktoptimierung, welches seit Mitte der achtziger Jahre mit linker Zeitgeschichte und Literaturen aus Afrika, der Türkei, deutscher Geschichtsaufarbeitung und Erinnerungskultur und Psychoanalyse aufwartete, fand ich ein mutiges Unterfangen.
Volkhard Brandes veröffentlichte in seiner aktiven verlegerischen Zeit eine Fülle von Büchern, die er betreute, pflegte meist einen persönlichen Kontakt zu »seinen« Autorinnen und Autoren, war ihnen oft ein Berater, wurde mancher und manchem zum Freund und betrieb stets »Networking«. In der langen Verlagsgeschichte legte er besondere Aufmerksamkeit auf Bücher zur Literatur aus und über Afrika, zu jüdischem Leben, zur Verfolgung der Roma und Sinti und zur Aufarbeitung der deutschen Geschichte. Er las akribisch, legte Wert auf den letzten Schliff der Texte und beharrte darauf, die »Winzigkeiten« vor Drucklegung noch zu korrigieren. Brandes war auch als Buchvertreter für den Verlag unterwegs, kannte den Buchmarkt gut, war Gast bei vielen Veranstaltungen, setzte sein verlegerisches Wissen unter anderem für das Einladungsprogramm der Frankfurter Buchmesse für Verlage aus Afrika, Asien, Lateinamerika, der arabischen Welt, der Karibik sowie Mittel- und Osteuropa ein.
Wenn ich heute den »afrika Taschenkalender« durchblättere, welchen die beiden Verleger und ich am Anfang, 1999, gemeinsam herausgegeben haben, seit 2001 Volkhard und ich als Duo, begreife ich in der Rückschau, wie viele Länder er bereist hat, wie sehr die altertümliche Selbstbezeichnung Globetrotter auf ihn passt, ein Wanderer in den Welten. Volkhard Brandes war in der Welt zuhause, völlig unerschrocken ob der Anstrengung nahm er sich jedes Jahr wieder eine Fern-Reise vor und kam mit Fundstücken zurück: Fotografien, Texten, Kunst- und Alltagsgegenständen, die seine Wohnung in der Fichardstraße schmückten. In seinen Reiseberichten zeigen sich seine Neugier auf Menschen und die Gabe, genau zu beobachten und Stimmungen einzufangen, aber es ging immer auch darum, koloniale Spuren und das, was er »zwangsweise Globalisierung« nannte, zu benennen und die zerstörerischen Folgen der Kolonialisierung zu dokumentieren. Er liebte es einfach, unterwegs zu sein.
Viele Autorinnen und Autoren, Übersetzer und Übersetzerinnen, Freunde und Freundinnen, Verlagsmitarbeitende und Weggefährten haben seinen Lebensweg begleitet, der nun zu Ende gegangen ist. (Man möge verzeihen, dass ich hier nicht einzelne Namen im Besonderen genannt habe. Es sind zu viele Menschen, die mit ihm auf die eine oder andere Weise verbunden waren und sind). In Erinnerung bleiben wird mir ein Mann, der Humor hatte, der aber auch eigensinnig und beharrlich war und dafür warb und arbeitete, »dass man nur etwas hinbekommt, wenn man bereit ist, auch die Spielregeln zu durchbrechen. Wir haben aber auch erfahren, dass es für einen Erfolg auf diesem Weg keine Garantie gibt und man sich blutige Nasen holen kann. Doch die Spielregeln nicht zu durchbrechen, wo es erforderlich ist, bringt erst recht nichts.«
Dieses Zitat gefunden zu haben, in Unterrichtsmaterialien für die Schule über die außerparlamentarischen Opposition hierzulande, das hätte ihm, glaube ich, gefallen.
Nachtrag: https://www.spiegel.de/fotostrecke/40-jahre-pariser-mai-fotostrecke-109054.html. Dort sind auch Aufnahmen von V.B. zu sehen. Er hatte Plakate des 'Atelier populaire' sowie Arbeiten der berühmtesten französischen Karikaturisten damals fotografiert und 40 Jahre danach in seinem Buch: Paris, Mai '68: Plakate, Karikaturen und Fotos der Revolte dokumentiert.
Cornelia Wilß, 13.5.2020
Ich habe als freie Journalistin und Lektorin von 1996 bis 2013 für den Brandes & Apsel Verlag gearbeitet.
www.passage-wilss.de