Die von Litprom e.V. viermal jährlich herausgegebene Bestenliste »Weltempfänger« nominiert seit 2008 belletristische Neuübersetzungen aus aller Welt, um damit herausragende literarische Stimmen im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen.
Normalerweise liegt der Fokus auf dem Globalen Süden — diese Sonderausgabe anlässlich des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine richtet den Blick nach Osteuropa.
Aktive und ehemalige Juror*innen geben persönliche Lese-Empfehlungen: insgesamt neunzehn Romane, Erzähl- und Gedichtbände sowie Sachbücher. Da es sich nicht wie sonst um eine Rangliste handelt, sind die Titel alphabetisch nach Autor*innen sortiert. Kuratiert wurde die Sonderausgabe von Anita Djafari und Andreas Fanizadeh.
Der »Weltempfänger« wird auch als doppelseitiges Streifplakat verschickt, das gerne bestellt werden kann. Schreiben Sie uns an: litprom@buchmesse.de
Im Juni 2022 erscheint mit dem 55. Weltempfänger die nächste reguläre Ausgabe.
Sie fotografiert, installiert, ist politisch tätig. Anfang März war sie in einem Keller in Kiew. Ihre Erzählung »Die die Kinder im Handschuh fängt« ist einer der fantastischsten Texte der letzten Jahre.
Arno Widmann
Nach einem Erlass Stalins galten russische Gefangene als »Volksfeinde«. Auch ihre Angehörigen landeten im Gulag. In Sippenhaft. Zur Umerziehung. Wie die Erzählerin im Roman. Der weißrussische Autor erinnert an »diese Wahrheit«, an die Verbrechen Stalins. Und Putin verbietet »Memorial«, verbietet das Erinnern.
Ruthard Stäblein
Kürzlich in Kiew: Der Leipziger Dmitrij Kapitelman braucht eine Kopie seiner Geburtsurkunde. Er muss ausdauernd anstehen, kreativ kungeln — und sich für sein Russisch rügen lassen. Kapitelmans Vorkriegskiew ist anstrengend, aber auch lustig. Und: Es ist noch heil.
Katharina Borchardt
Ich empfehle »Ein Ring aus Papier«, weil es die Welt beschreibt, die zwischen 1914 und 1945 untergegangen ist, in den Gebäuden, Landschaften und Gemütern dennoch fortlebte und nun ein weiteres Mal unterzugehen droht. Und weil es so unglaublich gute Erzählungen sind.
Navid Kermani
Anhand der Geschichte eines Bienenzüchters folg t Andrej Kurkow den Bruchlinien des Konflikts im Donbass und auf der Krim – mit Blick auf die Schicksale der kleinen Leute. Aus heutiger Sicht: Ein Requiem; die Hoffnung, die dieser Roman noch transportierte, ist zerfetzt und begraben.
Ulrich Noller
Ein Politthriller, der oszilliert zwischen Diskurs und Plot. Ein russischer Geheimdienst-Offizier wird ausgeschickt, um einen einst in sowjetischen Dienst gestandenen Biochemiker zu liquidieren. Einblicke in das Denken der Wissenschaftler und ihrer politischen Herren, die nicht unbedingt verblüffend, aber sehr instruktiv sind.
Thomas Wörtche
Lesen Sie die Romane von Sergej Lebedew. Wenn Sie verstehen wollen, wieso die Vergangenheit in Russland die Gegenwart okkupiert hat, wie die Geister der Geschichte weiterhin das Denken und Fühlen kontaminieren. Seine Werke zeigen auf, wie gut wir auch aktuelle Entwicklungen verstehen können, wenn wir uns der Literatur hinwenden.
Ilija Trojanow
Ein vergessener Volksheld der Ukraine und eine Autorin in der Krise heute. Zwei Emigranten in Wien, die sich nie begegnet sind. Die Bachmann-Preisträgerin 2018 macht aus ihrer Spurensuche einen klugen Roman. Unsentimental erzählt sie von ihrem Land, von Emigration, Sprachwechsel und Identität.
Cornelia Zetzsche
Die Autorin finnisch-estnischer Herkunft erzählt in ihrem spannenden Roman über die Kinderwunschindustrie in der Ukraine und von den weitreichenden Verwerfungen, die der Zusammenbruch der Sowjetunion nach sich zog. Kenntnisreich, scharfsinnig, erhellend.
Anita Djafari
Fast unheimlich, wie Poladjan den 11. März 1985 beschwört als schon verflogene Möglichkeit eines Aufbruchs Russlands in eine bessere Zeit. Ihr schmerzhaft schönes, traurig-komisches Buch zeigt, welche Kunst die Literatur zu vollbringen imstande ist, stellt die Legitimation genau dieser Kunst infrage vor der Brutalität einer Wirklichkeit, gegen die sie entsetzlich machtlos ist.
Insa Wilke
Der Autor und Filmemacher Oleg Senzow war von 2014 bis 2019 in russischer Gefangenschaft. Nicht von der Haft, sondern von der Kindheit auf der Krim erzählt er in seinen Geschichten, die intensiv davon berichten, wie wunderschön und gleichzeitig aussichtslos das Leben in der Ukraine war.
Ines Lauffer
Diese Lyrik, in Teilen geschrieben nach der Intervention Russlands im Donbass 2015, erhebt radikal Einspruch gegen die offizielle russische Geschichtsschreibung — und die Wiederkehr von Totgesagtem: dem lauten Chor des Vaterländischen, von Heldenwahn und Kriegsgesängen.
Claudia Kramatschek
In der Ferne explodieren Granaten, Glas splittert unter den Stiefeln eines Snipers. Pawel will den Neffen aus dem Internat holen. Sein Weg führt durch eine Stadt in Agonie. Vom Krieg in der Ostukraine erzählt Serhij Zhadans Schreckensszenario als Vernichtung der Mitmenschlichkeit.
Jörg Plath
Diese glänzende Autorin beschreibt Aufbruch und Scheitern des neuen Russlands anhand verschiedener Biographien der ersten postsowjetischen Generation.
Andreas Fanizadeh
Eine Woche, nachdem die Ukraine sich für die Unabhängigkeit ausgesprochen hatte, löste sich die Sowjetunion auf. In Putins Augen die größte geopolitische Tragödie des Jahrhunderts. Mit dieser Erinnerung beginnt Serhii Plokhy seine großartige Geschichte der Ukraine.
Arno Widmann
Die bewegende ukrainisch-russisch-jüdische Familiengeschichte der Memorial-Mitbegründerin, die gerade von Moskau ins israelische Exil fliehen musste.
Andreas Fanizadeh
Als der erste Tschetschenienkrieg mit der russischen Invasion 1994 begann, war Polina neun Jahre alt. Sie wurde zu einer authentischen A ugenzeugin und zum Symbol all derer, die sich der Gewalt auch Dank unverwüstlicher literarischer Kraft widersetzen.
Andreas Fanizadeh
Die Bloodlands waren eingekeilt zwischen deutschem Nazireich und stalinistischer Sowjetunion. Hier wüteten abwechselnd zwei imperiale Terrorregime und brachten Millionen Menschen um. Die Ukraine weiß, wofür sie heute kämpft, aber wissen die Deutschen um ihre historische Verantwortung dafür?
Andreas Fanizadeh
Eine junge Autorin hat sich aufgemacht, die nationale Vielfalt ihrer Heimat zu entdecken. Sie hat sich nicht nur bei den Polen, Slowaken, Rumänen, Juden umgeschaut, die in der Ukraine leben, sondern auch kleine, versprengte Gruppen wie die Gagausen oder die Mescheten entdeckt. Eine ethnographische Reportage voller warmherziger literarischer Porträts.
Karl-Markus Gauß
Marcella Melien
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