Der »Weltempfänger« nominiert seit 2008 belletristische Neuübersetzungen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der arabischen Welt, um herausragende literarische Stimmen im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen.
Die Bestenliste Nr. 63 als PDF herunterladen oder als Plakat bei Litprom anfordern: litprom@buchmesse.de
Die Jury: Timo Berger, Katharina Borchardt, Sonja Hartl, Carsten Hueck, Claudia Kramatschek und Ines Lauffer
Idee: Ilija Trojanow
[Zitat rechts aus: »Endlose Tage am Point Zero« von Stella Gaitano (Sudan/Deutschland), Übers. Günther Orth, Platz 1]
Die Nummer 63 der »Weltempfänger« Bestenliste ist geografisch wieder weit gespannt: Von Chile über den Sudan bis Korea. Gleich zwei Werke aus dem Sudan sind vertreten und konfrontieren den Lesenden mit einem Konflikt, der in unseren Nachrichten wenig vorkommt. Auch inhaltlich und formal bieten die sieben Empfehlungen der Sommerliste eine große Varietät — von Kurzgeschichten zu Romanen, von Realität zu Satire, von der geschichtlichen und politischen Aufarbeitung bis hin zur wortlosen Kommunikation zweier Liebenden. Zeit, sich ein Buch zu schnappen und ab in die Sonne!
Stella Gaitanos Erzählungen in »Endlose Tage am Point Zero« (Ü.: Günther Orth) zeigen die dramatischen und grausamen Entwicklungen des Sudan auf und beschreiben die Zeit vor und nach der Abspaltung des Südsudan und die Auswirkungen auf die Menschen dort. »Twilight Zone« (Ü.: Friederike von Criegern) von Nona Fernández hat die reale Aussage eines Folterers des Pinochet-Regimes zur Grundlage und baut darauf einen literarischen Text auf. Der aus dem Chinesischen übersetzte Roman »Der Tag, an dem die Sonne starb« (Ü.: Marc Hermann) von Yan Lianke erzählt von einer brutalen Nacht in einem Dorf mitten in der Provinz Henan. Scholastique Mukasongas Roman »Kibogos Himmelfahrt«, übersetzt von Jan Schönherr, macht deutlich, dass Missionare in Ruanda nie vollends die Denk- und Wertestrukturen der Bevölkerung verändern und verdrängen konnten. »Zeit der Geister« (Ü.: Bernhard Robben) von Fatin Abbas ist ein Roman über den Wunsch nach Freiheit und Wandel im Sudan. Die koreanische Autorin Han Kang reflektiert in »Griechischstunden« (Ü.: von Ki-Hyang Lee) über Sprache, Schrift und Stimme sowie über Verlust. Die aus dem Hindi übersetzte satirische Geschichte »Die Schöne und der Papagei« (Ü.: Almuth Degener, Ines Fornell, Max Kramer und Heinz Werner Wessler) von Mrinal Pande führt uns in die indische Gegenwart.
Kurzgeschichten – einige aus 2004, andere aus 2015. Dazwischen: die Unabhängigkeit des Südsudan. Die Storys verhandeln die erzwungene Migration in einen neu gegründeten Staat mit altbekannten Problemen, die Folgen von Gewalt und Krieg. Originell und beeindruckend.
Sonja Hartl
Eine Schülerin steigt in einen roten Chevy. Eine Spritztour mit Onkel Claudio. Jahre später erfährt sie, dass der Onkel ihrer Freundin für das Pinochet-Regime gefoltert und gemordet hat. Ein aufrüttelnd ehrlicher Blick auf die jüngste Geschichte Chiles.
Timo Berger
Die dunkelste aller Sommernächte: Im Dorf Gaotian wird denunziert, geplündert und gemordet. Mittendrin: der vierzehnjährige Erzähler Niannian und zig Fässer Leichenöl. Eine furiose Allegorie auf chinesische Politkampagnen und die böse Lust des Menschen am Entgleisen.
Katharina Borchardt
Ruanda zur Zeit der Missionare, es herrscht Dürre, die Dorfbewohner bitten die Jungfrau Maria ebenso wie ihren Märtyrer Kibogo um Regen: Sie kämpfen ums Überleben – die Missionare um ihre Seelen. Mukasonga analysiert, wie sich alte und neue Geschichten verweben, wie im Erzählen Widerstand wächst.
Ines Lauffer
Ein großartiger Roman über die Liebe in Zeiten von Krieg und ethnischer Gewalt vor dem Hintergrund des Bürgerkries im Sudan. Schauplatz: eine NGO an der Grenze zwischen Nord und Süd. Hier treffen Westler, Niloten und Nomaden aufeinander. Träumen von Wandel und Veränderung.
Claudia Kramatschek
Eine Frau, der die Sprache abhandenkam, ein Mann, dessen Augenlicht schwindet – zwei Versehrte begegnen sich im Schmerz. Ein Roman über Gespräche in Stille und tastende Gefühle, über Verluste, Erinnerungen und innere Einsamkeit. Radikal und zärtlich.
Carsten Hueck
Eine kunstvoll durchtriebene Politsatire, die – angelehnt an das indische Mahabharata – in einem wilden Mix aus Straßenslang und Sanskrit-Imitat die hindunationalistischen Machenschaften von Modi aufs Korn nimmt. Herrlich komisch. Hervorragend übersetzt!
Claudia Kramatschek
* nominiert für den LiBeraturpreis 2025
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Marcella Melien
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