Der »Weltempfänger« nominiert seit 2008 belletristische Neuübersetzungen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der arabischen Welt, um herausragende literarische Stimmen im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen.
Die Bestenliste Nr. 65 als PDF herunterladen oder als Plakat bei Litprom anfordern: litprom@buchmesse.de
Die Jury: Timo Berger, Katharina Borchardt, Sonja Hartl, Carsten Hueck und Claudia Kramatschek
Idee: Ilija Trojanow
[Zitat rechts aus: »Das Schweigen meines Vaters« von Mauricio Rosencof (Uruguay), Übers. Svenja Becker, Platz 1]
Die 65. Weltempfänger-Bestenliste besticht mit abwechslungsreichen Titeln: sieben inspirierende Begleiter in der dunklen Jahreszeit. Von Uruguay bis zu den Philippinen, über Palästina und Timor, werden verschiedene Perspektiven auf wichtige Themen eröffnet: Eine Eltern-Kind-Beziehung und deren unerzählte Geschichten; zwei Freunde, die sich wiederfinden; Solidarität unter Geflüchteten und unerfüllte Träume sorgen für spannende und nachdenkliche Lesestunden.
Mauricio Rosencofs autobiografischer Roman »Das Schweigen meines Vaters« (Ü.: Svenja Becker), handelt von den Erlebnissen seiner Familie in Polen in den 1930er-Jahren und der Auswanderung nach Uruguay. Parallel erzählt Rosencof von seiner politischen Haft während der Militärdiktatur. Die episodische Erzählung verknüpft die Geschichten von Vater und Sohn auf einfühlsame Weise. In Felix K. Nesis »Die Leute von Oetimu. Eine garantiert wahre Geschichte aus Timor« (Ü.: Sabine Müller), erfahren wir alles über die Geschichte von Osttimor, mit einer guten Portion Humor. In seinem Tagebuch »Fenster ohne Aussicht« (Ü.: Markus Lemke) reflektiert Dror Mishani über die Ereignisse in Israel seit dem 7. Oktober 2023. Sowohl seine privaten als auch die gesellschaftlichen Herausforderungen werden benannt und hinterfragt. Abdalrahman Alqalaq erzählt in »Übergangsritus« (Ü.: Günther Orth, Leila Chammaa, Sandra Hetzl) zärtlich und ganz in sich gekehrt über die Schwierigkeiten, einen Ort als Geflüchteter für sich zu finden. In seiner Lyrik und Kurzprosa kreiert der palästinensische Autor melancholische und doch starke Bilder. Die zwei Freunde in »Der Rabe, der mich liebte« (Ü.: Larissa Bender) von Abdelaziz Baraka Sakin, hätten es nach Ihrer Flucht nach Europa unterschiedlicher nicht treffen können und doch verbindet sie viel — eine Geschichte über Verständnis und Zusammenhalt. »Leere Häuser« (Ü.: Stephanie von Harrach) von Brenda Navarro beschreibt aus der Perspektive von zwei Frauen ihre harte Realität in Mexiko. Dabei spielt das Thema Kinderwunsch eine zentrale Rolle, jedoch anders als erwartet. Jose Dalisays »Killing Time in a Warm Place« (Ü.: Niko Fröba) erzählt die Anfangszeit der Marcos-Diktatur auf den Philippinen. Mit einer klugen, gewitzten und spitzzüngigen Sprache entführt uns der Autor in das Leben seines unauffälligen Protagonisten.
Ein Mann in einem Zug in Uruguay. Ein anderer, der als Regimegegner in Haft sitzt. Sie wissen wenig voneinander und sind doch Vater und Sohn. Plötzlich beginnt der eine zu erzählen. Von der Kindheit in Polen, denen, die zurückblieben. Ein meisterhaftes Alterswerk.
Timo Berger
Die Geschichte Osttimors von der portugiesischen Besatzung bis zur Unabhängigkeit. Abenteuer, Drama, Sex und Tod! Das alles erzählt mit großer Geste: ausgreifend, komisch und voller Cliffhanger. Am Beispiel des Grenzstädtchens Oetimu. Ganz großes Kino!
Katharina Borchardt
Mishani steht nach dem 7.Oktober unter Schock. Sein Tagebuch dokumentiert eindrücklich, wie das Massaker der Hamas und der darauffolgende Krieg Israel verändert. Kühle Beobachtung und Innenansicht des Entsetzens – auch über die Politik seiner eigenen Regierung.
Carsten Hueck
Wie geht das: Leben im Exil, als Flüchtling, Palästinenser, ohne Ort in der Welt? Davon erzählen Abdalrahman Alqalaqs Gedichte auf vielstimmige Weise: mal zärtlich, mal melancholisch, mal bitter. Ohne Pathos, nie plakativ, mit immenser poetischer Intensität.
Claudia Kramatschek
Nuri hat eine Aufenthaltsgenehmigung, Adam den Verstand verloren. Am Grazer Bahnhof treffen sie aufeinander und Nuri erinnert sich an ihre Zeit im »Dschungel von Calais«. Ein existentiell-hoffnungsvoller Roman über die Absurdität des Schicksals, voller Poesie, Humor und Menschlichkeit.
Sonja Hartl
Sie bringt Lutscher für einen Kindergeburtstag und sieht einen hübschen Jungen. So sehr sehnt sie sich nach einer glücklichen Familie, dass sie ihn bei nächster Gelegenheit einfach mitnimmt. Eine Familie zerbricht und bald eine andere. Ein aufwühlender Roman.
Timo Berger
Die Philippinen zu Beginn der Marcos-Diktatur. Der zaghafte Noel verkehrt in linken Kreisen, wird inhaftiert und macht später Karriere. Jose Dalisay ist ein gewitzter und spitzzüngiger Porträtist seines Landes. Seine Spezialität: gemischte Seelenlagen. Genial!
Katharina Borchardt
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Marcella Melien
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