Léopold Sédar Senghor, dessen 100. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, war nicht nur ein brillanter Redner und Diplomat, ein hervorragender Politiker und Gelehrter, er ist auch einer der bedeutendsten Dichter unserer Zeit. Für Senghor war Lyrik „Gesang, wenn nicht gar Musik“ und er forderte, dass die Dichtung wieder zu ihren Ursprüngen zurückfinden müsse, zu den Zeiten, in denen sie gesungen und getanzt wurde, wie noch heute im schwarzen Afrika. Und so sind Senghors Verse getragen von einem besonderen Rhythmus, der nicht ein metrischer ist und Silben oder Betonungen zählt, sondern „unermüdlich fortschreitet, die Silben sprudeln und tropfen lässt“ (Janheinz Jahn). Dieser Rhythmus und die vielbewunderte Magie seiner Sprachbilder wirken wie eine „Beschwörungformel, die die Wahrheit der wesentlichen Dinge erschließt: die Kräfte des Kosmos.“ In Senghors Gedichten wird seine Heimat lebendig, die Landschaften seiner Kindheit in Senegal, die Tradition der Eingeborenen, ihre Geister und Riten. So wie Senghor als Politiker zeitlebens ein Brückenbauer zwischen Afrika und Europa war, so hat er auch mit seiner Dichtung versucht, afrikanisches Denken und Fühlen für Europäer anschaulich zu machen: „In Senghors Versen“, so Janheinz Jahn, „offenbart sich Tiefe und Schönheit der afrikanischen Kultur, er ‚betet zu den Masken’, er grüßt den ‚löwenköpfigen Ahn’, er hat die französische Sprache auf afrikanische Weise tanzen gelehrt“.
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