Unser Spitzentitel dieses Bücherherbstes füllt nicht nur fast ein halbes Tausend Seiten: er spielt auch in drei Jahrhunderten. Und seine Schauplätze sind auf mehrere Kontinente verteilt, so u.a. auf New York, die Karibik, Argentinien, Chile, Kolumbien, Sri Lanka, Singapur, England, Spanien, Marokko. Er ist Wirtschaftskrimi, Beichtbericht, Liebesroman, Kulturgeschichte, Piratenstory. Und wie viele hintersinnige Geschichten beginnt auch diese recht harmlos: Da berichtet ein ehemaliger Jesuitenzögling aus Uruguay seinem väterlichen Freund, was ihm während der letzten zwanzig Jahre widerfahren ist. Da wird Lou Capote, Topmanager bei dem amerikanischen Elektronikkonzern ITC beauftragt, einen neuartigen Laser auszuspionieren. Und da beichtet schließlich ein spanischer Abenteurer aus dem 17. Jahrhundert all die Fähr- und Wirrnisse seines wechselvollen Geschicks. Was verbindet diese Geschichten, welches Geheimnis umgibt diese Personen? Natürlich wäre dieser ganze Aufwand bloßer Theaterdonner und erzählerische Hochstapelei, wenn Daniel Chavarría nicht so souverän alle Hilfsmittel beherrschte, die sich in einem gut bestückten literarischen Werkzeugkasten finden. So aber ist DIE SECHSTE INSEL im besten Sinn ein Abenteuerroman - spannend, unterhaltsam, Wissen vermittelnd und Menschlichkeit einfordernd selbst dort, wo sie in nur sehr beschädigter Form zu finden ist. Ein Abenteuer auch für den Leser, der bedauert, wenn es zu Ende geht.