Der »Weltempfänger« nominiert seit 2008 belletristische Neuübersetzungen aus aller Welt, um damit herausragende literarische Stimmen im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen.
Die Bestenliste Nr. 56 als PDF downloaden oder als Plakat bei Litprom anfordern: litprom@buchmesse.de
Die Jury:
Katharina Borchardt, Anita Djafari, Sonja Hartl, Claudia Kramatschek, Ines Lauffer, Ulrich Noller und Ruthard Stäblein
Idee: Ilija Trojanow
Jurysprecherin: Anita Djafari
[Zitat rechts aus: »Zurück in die Heimat« Nacha Vollenweider ARGENTINIEN, Platz 1]
Auch wenn die Tage kürzer werden, der Weltempfänger 56 / Herbst 2022 bringt die Leselampen zum Glühen: Eine Graphic Novel aus Argentinien, zwei Krimis aus der Karibik und Malaysia und vier Romane aus Nigeria, Ruanda, Türkei und dem Kongo sezieren gesellschaftliche Verhältnisse der Gegenwart und Vergangenheit.
»Zurück in die Heimat« zog es Graphic-Novel-Künstlerin Nacha Vollenweider nach sechs Jahren in Deutschland — aber Heimat, was ist das eigentlich? Einen Krimi aus der Karibik liefert Jacob Ross mit »Die Knochenleser« (Ü. Karin Diemerling). Der Nobelpreisträger Wole Soyinka schreibt in seinem neuen Roman über »Die glücklichsten Menschen der Welt« (Ü. Inge Uffelmann). Tash Aw bringt uns in »Wir, die Überlebenden« (Ü. Pociao, Roberto de Hollanda) einen mittellosen Mörder in Malaysia näher. Scholastique Mukasonga setzt ihrer Mutter, der »Frau auf bloßen Füßen« (Ü. Gudrun und Otto Honke) ein Denkmal. »Hayat heißt Leben« (Ü. Ute Birgi-Knellessen) und so heißt auch eine lebenskluge Frau, von der Ahmet Altan erzählt. Fiston Mwanza Mujila lässt im Kongo den »Tanz der Teufel« (Ü. Lena Müller, Katharina Meyer) tanzen.
Autobiographische Comic-Kunst zwischen Europa und Argentinien. Die Migration, die seit Generationen die Familie prägt. Ein schwarzer Strich, der Dimensionen schafft: Mit einfachsten Mitteln lässt Nacha Vollenweider Welten entstehen — und vergehen. Ein lakonischer Blick, mitten aus der Gegenwart, trotzdem reich an Eindrücken, skizziert mit hohem Verdichtungsgrad. Ulrich Noller
Auf der fiktiven Karibikinsel Camoha ermittelt der Forensiker Michael Digson in Vermisstenfällen und taucht tief in die Lügennetze der verschiedenen Gemeinschaften ein. Der auf Grenada geborene Ross erzählt atmosphärisch dicht mit präzisen Gegenwartsbeobachtungen, klugen Auslassungen und hinreißend komplexen Figuren. Sonja Hartl
Wole Soyinka, der Magier des afrikanischen Romans, ist zurück — wortmächtiger denn je. Mit beißendem Spott geißelt er in Form einer großen Tragikomödie das moderne Afrika: Korrupte Profiteure, religiöse Scharlatane, eiskalte Geschäftemacher — sie alle überbieten sich in einer wilden Tour de Force. Claudia Kramatschek
Ein Mörder erzählt nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis einer Journalistin sein ganzes prekäres Leben — und wächst uns dabei ans Herz. Weil er uns die Welt der schlecht bezahlten, von jedem Aufstiegsversprechen abgekoppelten Menschen in dem südostasiatischen Land nahebringt. So ein Buch hat gefehlt. Anita Djafari
Was für ein starkes, schmales Buch: Wir befinden uns im Ruanda der 1960er Jahre, die titelgebende »Frau auf bloßen Füßen« ist mit ihren Kindern deportiert worden. Mukasonga begegnet Deportation und Genozid mit beinahe ethnographischem Schreiben und überliefert so die Erinnerung an eine vergangene Kultur, bewahrt die Liebe der Mutter. Ines Lauffer
Ein mittelloser Literaturstudent trifft auf eine ältere Frau, Hayat, mit der er die sexuelle Freiheit erlebt, und auf eine Studentin, mit der er dem türkischen Repressionsapparat zu entfliehen versucht. »Hayat heißt Leben« — ein lebensfroher, ein hoffnungsvoller Roman aus der aktuellen Türkei. Ruthard Stäblein
Lubumbashi tanzt den »Tanz der Teufel«. In der südkongolesischen Stadt kommen alle zusammen: Geheimdienstler, Desperados, Straßenkinder. Es sind die 1990er Jahre. Viele wollen weiter in die angolanischen Diamantminen. Ein von afrikanischer Rumba getriebener nächtlicher Exzess, auch sprachlich. Katharina Borchardt
* nominiert für den LiBeraturpreis 2023
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