Yi Cheong-Jun / Korea

Die weissen Kleider

Der Roman „Die weissen Kleider“, 1994 in Seoul als „Roman des Jahres“ ausgezeichnet, verfolgt Schritt für Schritt die Suche eines älteren Mannes nach seiner verschollenen Schulzeit, die ein Jahr nach der Befreiung von der japanischen Kolonialherrschaft (15. August 1945) begann und wenige Monate nach dem Ausbruch des Koreakriegs (25. Juni 1950) abrupt endete. Das grosse Engagement seiner jungen Lehrer, die den Kindern armer Fischer und Bauern das Rüstzeug für ein besseres Leben mitgeben wollten, und ihr tragisches Schicksal im Strudel des Kriegs werden durch eine übermächtige Erinnerung, durch Einfühlung und bohrendes Fragen wieder lebendig. Der mühsame Prozess der Annäherung an diese für das Korea von heute grundlegende, doch weithin verdrängte Epoche mündet in eine rituelle Totenbeschwörung, die dem alten Zwist und Groll absagt und der Versöhnung den Weg bereitet. Der Autor Yi Cheong-jun, geb. 1939 in einem kleinen Ort im Südwesten Koreas; nach entbehrungsreicher Kindheit und Jugend Germanistikstudium an der Seoul National University; seit 1967 zahlreiche Literaturpreise. Sein bisheriges Oeuvre (etwa 20 Romane und ebensoviele Bände mit Erzählungen, auch Essays) gilt als eines der wichtigsten der neueren koreanischen Literatur. Es beleuchtet das Leben seiner Generation in einer Epoche stürmischen Wandels, die viele Menschen entwurzelt, soziale und kulturelle Traditionen entwertet, den Widersprüchen eines geteilten Landes und einer zerrissenen Gesellschaft mit Manipulation und Gewalt begegnet. Dagegen beschwört er die Kraft von Einfühlung und Verstehen, Wahrhaftigkeit und Versöhnung. Als Mittler dieser Prozesse führt er Phantasie und Kunst ins Feld. In diesem Kontext reflektiert er die Rolle des Intellektuellen und das Vermögen der Sprache.
Roman, 186 Seiten, 2005
Originalsprache: Koreanisch, übersetzt von Gwi-Bun Schibel-Yang und Wolfgang Schibel
Originaltitel: Huinot
Verlag: Iudicium, ISBN: 3-89129-887-0
Erscheinungsdatum: 22.08.2005