Für den LiBeraturpreis nominiert sind alle Titel von Autorinnen, die im Jahr zuvor auf die Bestenliste »Weltempfänger« gewählt wurden.
Die Jury 2023 besteht aus fünf Büchermenschen.
Die Sortierung der Nominierten ist alphabetisch nach Nachnamen.
Eine mehrfach ausgezeichnete Autorin, Kunsthandwerkerin und Aktivistin. Ihre erste Buchpublikation war der Lyrikband »Sensizkaradenizdüşleri«
(1997, Schwarzmeerträumeohnedich), es folgten vier Erzählbände, zuletzt »Kağıt Gemiler« (dt. Papierschiffchen in der Wüste) und zahlreiche Beiträge in Anthologien.
2013 gab sie die Anthologie »Alis Harikalar Diyar’ından Tüymüş« (dt. Alice floh aus dem Wunderland) mit humorvollen Geschichten über sich emanzipierende Frauen heraus. Im selben Jahr erschien ihre Romanbiographie des bedeutenden türkischen Theater- und Filmkünstlers Muhsin Ertuğrul.
Ihre große Leidenschaft gilt dem Einsatz für Entrechtete und Unterdrückte. In »Papierschiffchen in der Wüste« thematisiert sie u.a. die Unterdrückung der Jesid*innen.
www.edition-converso.com
Ein Roman, gewoben aus Erzählungen, die um das Leben und den Lebenskampf jesidischer Frauen kreisen und zugleich ein Schlaglicht werfen auf die jahrhundertealte Kultur der Jesiden. Betörend ist der Ton des Romans: Magischer Realismus pur, gekreuzt mit Mythologie und Volkstümlichkeit.
Claudia Kramatschek
Mariana Enriquez machte ihren Abschluss in Journalismus und sozialer Kommunikation. 2021 stand sie auf der Shortlist des International Booker Prize. Ihre Werke gewannen zahlreichen Preise und sind in viele Sprachen übersetzt. Für »Unser Teil der Nacht« erhielt sie 2019 den Premio Herralde, den wichtigsten Preis für spanischsprachige Literatur.
Zwischen Mystery, Familienroman, Horror, Coming of Age und zeitgeschichtlicher Erkundung – ein fulminanter, krasser und im besten Sinn merk-würdiger Roman, der die Wahrnehmung torpediert und gleichermaßen befeuert. Über das schwarze Loch im Herzen des Menschseins, in der Mitte der Gesellschaft. In Endlosschleife?
Ulrich Noller
Chuah Guat Eng arbeitete lange Jahre als Unternehmensberaterin. »Echoes of Silence« (1994) ist ihr erster Roman, und der erste von einer malaysischen Autorin auf Englisch geschriebene Roman nach der Unabhängigkeit. Ihr zweiter Roman »Days of Change« (2010) stand auf der Longlist des Internationalen Dublin Literary Award.
Wie wirkt die (Kolonial-)Geschichte in die Gegenwart, welche Prägungen sind damit für die eigene Identität verbunden? Ein epochales Werk: Im Breitwandformat leuchtet Chuah Guat Eng die großen Zusammenhänge der Zeitläufte in Malaysia aus, unterm Brennglas macht sie die entscheidenden Details sichtbar. Blendend komponiert und erzählt — mit einem geschickt eingeflochtenen Krimiplot.
Ulrich Noller
Autorin und Anwältin. 1999 gewann sie den Commonwealth Short Story Prize, anschließend studierte sie Kreatives Schreiben in Sheffield Hallam, wo ihr sowohl der Archie Markham Award als auch der A.M. Heath Prize verliehen wurde. »Wie die einarmige Schwester das Haus fegt« ist ihr Romandebüt.
Die Insel ein Ferienparadies. Ein Mord in einer Villa. Adan wollte nur einbrechen, seine Frau Lala gerät jetzt erst recht in eine Spirale von häuslicher Gewalt, Elend und Selbsterniedrigung, dabei suchen alle nur die Liebe. Aber wie geht Liebe? Ein klug komponiertes, komplexes, sprachgewandtes Debüt. Souverän erzählt, souverän übersetzt.
Anita Djafari
Jamaica Kincaids erste Erzählung »Girl« (1978), die aus nur einem einzigen Satz besteht machte sie schlagartig berühmt. Viele ihrer preisgekrönten Erzählungen und Romane handeln von Kincaids besonderer Rolle als Tochter, als Frau, als Schwarze, als Angehörige einer ehemaligen Kolonie am Rande der Welt. Sie lehrt African and African American Studies in Harvard und lebt in Vermont.
Der Bruder der Autorin hat Aids. Er lebt auf Antigua, der Insel ihrer Herkunft. Die Annäherung an den Sterbenden wird zu einem schonungslosen, jeden Winkel ihrer eigenen Seele ausleuchtenden Text über das Erinnern. An den Platz in der Familie, den Schmerz des Fortgehens und Wiederkommens. Einzigartig.
Anita Djafari
Tatiana Salem Levy ist Autorin. Ihr Debütroman »A Chave de Casa« war ein Bestseller und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Das Buch wurde mit dem Literaturpreis von São Paulo ausgezeichnet und war 2008 Finalist für den Jabuti-Preis. The Independent zählt Tatiana Salem Levy zu den besten Autor*innen der aktuellen brasilianischen Literatur.
Vista Chinesa: Aussichtspunkt in Rio de Janeiro und Joggingstrecke der jungenArchitektin Júlia – bis sie eines nachmittags vergewaltigt wird. In Form eines Briefes an die eigenen Kinder erzählt die brasilianische Autorin mit atemloser Intensität von Vergewaltigung und Trauma, von Ermittlungen und kulturellen Zurichtungen des weiblichen Körpers: hart, ehrlich, lesenswert.
Ines Lauffer
Schreibt Romane und Kurzgeschichten. »Die erste Frau« ist ihr zweiter Roman und wurde von der Sunday Times, dem Observer, Daily Mail, BBC Culture und dem Irish Independent zum Buch des Jahres gekürt und 2021 mit dem Jhalak-Preis für Werke von POC-Autor*innen in Großbritannien ausgezeichnet. Sie lebt in Manchester und unterrichtet an verschiedenen Universitäten in Großbritannien Kreatives Schreiben.
Die Teenagerin Kirabo sucht nach ihrer Mutter — und dieser witzige, scharfsinnige und vielschichtige Roman verbindet charmant und klug die persönliche Entwicklung der unwiderstehlichen Kirabo mit der gesellschaftspolitischen Geschichte Ugandas in den 1970er und 1980er Jahren und einem Nachdenken über Feminismus.
Sonja Hartl
Scholastique Mukasonga ist Autorin und arbeitete als Sozialarbeiterin für UNICEF und die Weltbank. Mit ihrem französischen Ehemann ging sie 1992 nach Frankreich, wo sie heute mit ihrer Familie lebt. Der größte Teil ihrer Familie fiel dem Völkermord in Ruanda zum Opfer. Für ihre Romane, die die Ereignisse in Ruanda verarbeiten, wurde die Autorin mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Prix Simone de Beauvoir pour la liberté des femmes 2021.
Was für ein starkes, schmales Buch: Wir befinden uns im Ruanda der 1960er Jahre, die titelgebende »Frau auf bloßen Füßen« ist mit ihren Kindern deportiert worden. Mukasonga begegnet Deportation und Genozid mit beinahe ethnographischem Schreiben und überliefert so die Erinnerung an eine vergangene Kultur, bewahrt die Liebe der Mutter.
Ines Lauffer
Riku Onda veröffentlichte 1992 ihr Debüt »Das sechste Kind«. Sie wurde
mit dem Yoshikawa Eji Prize und dem Yamamoto Shugoro Prize
ausgezeichnet, 2017 erhielt sie den Naoki Prize für »Honigbiene und
ferner Donner« sowie den japanischen Buchhandelspreis. Ihr Werk wurde
für Film und Fernsehen adaptiert.
Bei einem Geburtstagsfest sterben 17 Menschen, nur die blinde Tochter der Gastgeber überlebt. Über 30 Jahre später versucht eine geheimnisvolle Erzählerin herauszufinden, was damals geschehen ist. Aber manche Wahrheiten sind zu tief verborgen. Ein geschickt und klug konstruiertes Rätsel — erzählt in einer mutigen und innovativen Weise.
Sonja Hartl
Adania Shibli schreibt Romane, Theaterstücke, Kurzgeschichten und Essays und ist zudem in der akademischen Forschung und Lehre tätig. »Eine Nebensache« ist ihre erste Buchveröffentlichung auf Deutsch, die englische Übersetzung war für den National Book Award (2020) sowie für den International Booker Prize (2021) nominiert.
1949: Ein Beduinenmädchen wird von israelischen Soldaten missbraucht und getötet. 50 Jahre später reist eine junge Frau aus Ramallah an den Ort des Geschehens — und durch ein Land voller Wunden und Narben. Der Roman: eine auch formal radikale Reflektion, wie von diesen Wunden erzählt werden kann.
Claudia Kramatschek
Nacha Vollenweiders erste Graphic Novel »Ruta 22« entstand 2010 aus einer Zusammenarbeit mit Roberto von Sprecher (Llanto de Mudo, Córdoba, 2010). 2015 erhielt sie den zweiten Preis im Wettbewerb IV premio Centro Cultural de la Memoria Haroldo Conti mit einer Comicadaption der Geschichte »Otra gente« des Schriftstellers Haroldo Conti. Dieser Comic wurde im Februar 2017 im argentinischen Comicmagazin »Fierro« veröffentlicht.
Autobiographische Comic-Kunst zwischen Europa und Argentinien. Die Migration, die seit Generationen die Familie prägt. Ein schwarzer Strich, der Dimensionen schafft: Mit einfachsten Mitteln lässt Nacha Vollenweider Welten entstehen — und vergehen. Ein lakonischer Blick, mitten aus der Gegenwart, trotzdem reich an Eindrücken, skizziert mit hohem Verdichtungsgrad.
Ulrich Noller
Can Xue gilt heute als eine der wichtigsten Autorinnen der Gegenwart und als die einzige Frau, die sich in der chinesischen Avantgarde-Literaturszene weit über die Landesgrenzen hinaus etablieren konnte. Ihr Roman »Liebe im neuen Jahrtausend« wurde für den Internationalen Literaturpreis des Haus der Kulturen der Welt 2022 nominiert.
Ein rasanter wie rasant erzählter Roman über den Überwachungsstaat China. Im Mittelpunkt: ein tumber Held namens Wei Bo. Doch bald ist klar: Nichts ist, wie es scheint. Stattdessen: Falltüren ohne Ende, auch für den Leser. Und niemand kann vor dem Nächsten sicher sein. Die Lektüre: reines Kung Fu.
Claudia Kramatschek
Juristin und mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin. Ihr Debütroman »Die Differenz« wurde von der Kritik gelobt und von El País zu einem der zehn besten Debütromane des Jahres 2014 gewählt; die englische Übersetzung wurde 2019 für die Shortlist des International Booker Prize nominiert. Für »Die Differenz« wurde die Autorin 2022 in Berlin mit dem Anna Seghers-Preis ausgezeichnet.
Drei junge Menschen, Kinder ehemaliger linker Kämpfer*innen gegen die Pinochet-Diktatur, begeben sich in einem wahnwitzigen Roadtrip über die Anden auf die Suche nach einem verlorengegangenen Sarg. Was es heißt für nachfolgende Generationen, weder richtig erinnern noch vergessen zu können, wird in diesem sprachmächtigen Debüt schmerzhaft schön beschrieben.
Anita Djafari
Marcella Melien
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Tel. 069 2102-246